Richtig ausgehen
Union setzt seine Siegesserie mit einem ungefährdetem 2-0 gegen St. Pauli fort.
Grundausrichtung
Vor dem Spiel hatte ich prognostiziert, dass sich an der Ausrichtung Unions wenig ändern würde. Damit verbunden war die Erwartung, dass sich für St. Pauli daraus Möglichkeiten ergeben könnten, die offensiven Halbräume zu überladen und Jens Keller so zu Anpassungen zu zwingen. Das trat nur teilweise ein.
Denn die Gäste aus dem Hamburger Stadtteil änderten ihre offensive Besetzung sowohl in Personal als auch Ausrichtung. Statt der kombinativen, zentrumsorientierten Miyaichi und Choi spielten mit dem defensiven Außenspieler Kalla und Litka sich geradliniger bewegende Akteure in höheren Grundpositionen in Ballbesitz in einem 433, um während des Aufbauspiels von Union in ein 442 mit tiefem Mittelfeldpressing zu fallen.
Defensive Stabilität
Damit erlaubte St. Pauli es dem 1. FC Union, ohne weitere Anpassungen defensiv stabil zu sein: im Mittelfeld setzten die Achter Kreilach und Kroos ihre Counterparts im defensiven Mittelfeld unter Druck, während sich Fürstner an Sobota orientierte, wenn der sich im Zentrum aufhielt. Dort war so kaum ein Durchkommen, Angriffe wurden auf die Flügel verlagert/geleitet. Dass Union die so entstehenden Situationen verteidigen kann, ist nichts neues.
Abgesehen von den ersten zehn Minuten, in denen einige überhastete Aktionen im Spielaufbau und im Gegenpressing Durchbrüche ermöglichten, hatte St. Pauli so zwar einige Abschlüsse, die aber von geringer Chancenqualität waren. Das änderte sich auch in der augenscheinlich stärkeren Phase der Gäste Mitte der zweiten Halbzeit nicht.
In dieser Zeit veränderte sich das Bild trotzdem etwas. Den Hamburgern gelangen öfter Anspiele ins eigene offensive Mittelfeld, weil Unions Pressing - wohl aus psychologischen wie physischen Gründen - weniger intensiv und geschlossen war. Die Außenstürmer rückten nicht immer synchron miteinander und dem Mittelstürmer auf, und vor allem das Loch hinter ihnen zu Mittelfeld und Abwehr wurde größer und ein einfacheres Ziel. Das blieb folgenlos, weil Union zuerst konzentriert in und um den Strafraum verteidigte und später die eigene Kompaktheit tiefer wiederherstellte, indem das Mittelfeld und der Sturm tiefer agierten (in 4231 oder 4321 Stellungen statt dem aggressiven hohen 433).
Natürlich war auch das Gegenpressing Unions ein Faktor um diese Kontrolle zu erlangen. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison fiel dabei auf, dass es den Spieler von Jens Keller gut gelingt, flüssig Positionen voneinander zu übernehmen und so das Tempo im Gegenpressing hoch zu halten. Trotzdem gab es auch Gelegenheiten, noch größeren offensiven Druck aus diesen Situationen zu entwickeln, die nicht genutzt wurden.
Schwächen und Stärken in Unions Offensive
Obwohl die Mannschaft von Jens Keller auf eine Serie guter Ergebnisse zurück blicken kann, waren in den letzten Spielen auch strukturelle Probleme im Offensivspiel zu sehen. In vielen Situationen gelang es nicht, Verbindung durch das mittlere Drittel herzustellen.
Auch gegen St. Pauli war das stellenweise der Fall. Während sich die Hamburger in einem tiefen flachen 442 aufstellten, positionierte sich Stephan Fürstner oft in der Abwehrreihe und boten sich Felix Kroos und Damir Kreilach oft zwischen Stürmern und Mittelfeld St. Paulis an. In diesen Stellungen fehlten effektive Wege in den Zwischenraum von Abwehr und Mittelfeld. Das wurde eher noch problematischer, wenn die Achter sich ebenfalls fallen ließen.
Zwar produzierte Union auch aus diesen eigentlich ungünstigen Stellungen einige Offensivaktionen, brauchte dafür aber sehr starke Einzelaktionen (wie ein langer Flugball von Fabian Schönheim, den Trimmel perfekt verarbeitete um einen Kopfball für Steven Skrzybski aufzulegen. Vielversprechender waren Momente, in denen Unions Mittelfeldspieler sich im zweiten und letzten Drittel anboten und so ihre numerische Überlegenheit über die Sechser dort einbrachten, wie es etwa Felix Kroos in der allerersten Ballbesitzphase des Spiels tat. Auch die Weise, in der Philipp Hosiner sich in den Zehnerraum fallen ließ um Ablagen zu spielen, die Angriffe beschleunigten, und anschließend wieder in die Spitze startete, half dabei, kombinative Präsenz herzustellen.
Szene des Spiels
In der Pressekonferenz nach dem Spiel kam es zu einem eher ungewöhnlichen Austausch beider Trainer über das 1-0, begonnen von Ewald Lienen:
Ist natürlich schade, dass Litka nach 12 Minuten diesen Fehler macht. Bei allem Respekt, Jens, das ist nicht erzwungen: wenn er angespielt wird und lässt den Ball auf Linksaußen (sic) klatschen, in den Lauf des ... -- Wenn wir aber nicht da sind, bringt's nichts. -- ... in den Lauf des linken Verteidigers, anstatt den Ball zu kontrollieren und weiterzuspielen. Das ist keine Pressingsituation, sondern ein einfacher Fehlpass. Ewald Lienen und Jens Keller im Gespräch
Anders als bei der anderen Diskussionsveranstaltung dieses Abends hatten beide ein bisschen recht: In der Tat wurde die Situation durch Unions Pressing eingeleitet, als Philipp Hosiner Torwart Himmelmann anlief, während Redondo den Rechtsverteidiger zustellte, sodass Himmelmann einen langen Ball schlug, der zu drei gewonnen Kopfballduellen für Union führte. Weil der Ball dann aber zu St. Pauli fiel bekam Litka tatsächlich eine Chance, eine Ablage ins Nichts zu spielen. Daraufhin spielte Union einen starken Angriff, bei dem zuerst ein Pass von Pedersen auf Redondo herausstach. Die Bereitschaft zum Gegenpressing zeigte sich dann, als Redondo den Ball vom Fuß gespitzelt bekam - und mit einer überragenden Reaktion doch noch Hosiner fand, der mit vollkommener Ruhe abschloss.