Satzball
Ein zu passives Union verliert 2-0 in Hannover und vergibt einen Satzball im Aufstiegsrennen. Recommended reading zu der Partie: die Analyse von Niemals allein
Der Hang zur Analyse ist nach Niederlagen wie dieser für Union in Hannover wohl immer stärker als nach Siegen. Dabei gilt es, sich zuerst darüber klar zu werden, was eigentlich analysiert und erklärt werden soll.
In einem ausgeglichenen Spiel mit sehr wenigen Höhepunkten, von dem man statistisch erwarten würde, dass es in 60% der Fälle unentschieden ausgeht, hatte Hannover kleine Vorteile in den herausgespielten Torgelegenheiten.
Zu erklären ist also, warum Union keine aktivere Herangehensweise gewählt hat, und warum es nach dem Rückstand für eine gute halbe Stunde nicht in der Lage war, daran etwas zu ändern und Chancen zu kreieren.
Union defensiv gut
Eine Union Mannschaft, in der Dennis Daube an Stelle von Stephan Fürstner spielte, war in der ersten Hälfte recht erfolgreich in der Umsetzung eines variablen Pressings, das verschieden hoch angesetzt wurde (zwischen moderatem Mittelfeld- und tiefem Angriffspressing) und je nach Situation verschiedene Zuordnungen und Staffelungen produzierte. So gelang es, das Aufbauspiel Hannovers oft auf hohe Bälle zu beschränken und auf die Flügel zu lenken. Fraglich war dabei allerdings, ob die Bahnen, in denen das Spiel der Mannschaft von André Breitenreiter verlief, nicht die von ihr ohnehin vorgesehenen (und in der 'Vorschau' beschriebenen) waren.
Zwar machten die Niedersachsen in einigen Situationen Anstalten zu einem ambitionierteren, flachen Spielaufbau, doch kamen sie damit nicht oft hinter Unions erste Pressinglinie und sehr selten in die eigenen offensiven Mannschaftsteile. Meist endeten diese Versuche sowie nicht mehr Manuel Schmiedebach am Ball war. Denn wenn entweder die Aufbaudreierkette Hannovers oder deren Passoptionen ins zentrale Mittelfeld zugestellt wurden, suchte 96 regelmäßig die offensiven Außen, auf denen die Flügelverteidiger weit aufrückten und immer wieder bis ins letzte Drittel Ballaktionen hatten.
Da Union diese nicht besonders dynamischen Situationen gut verteidigen konnte, und Kroos und Daube gut Ablagen von den Flügeln in die Halbräume oder das offensive Zentrum verhinderten, hatte Jens Keller zumindest mit Blick auf die Defensive Grund, seine Mannschaft für ihre Umsetzung des taktischen Konzepts zu loben.
... und offensiv weniger
Offensiv fand Union dagegen kaum statt. Das lag zum einen daran, dass das Pressing es zwar Hannover nicht erlaubte, effektiv und konstruktiv zu spielen, brachte aber keine Dividende für das eigene Angriffsspiel, das ähnliche Probleme wie das der Gastgeber hatte. Ballgewinne gab es nur tief in der eigenen Hälfte, im Anschluss an sie beschränkte Union sich zu oft darauf, direkt mit diagonalen Verlagerungen die die vorrückenden Außenverteidiger zu suchen oder Sebastian Polter den Ball behaupten zu lassen.
Es ist zwar richtig, an dieser Stelle auf das Fehlen von Stephan Fürstner hinzuweisen. Dabei ist aber anzumerken, dass Daube (die erwähnten Diagonalverlagerungen) und Kroos sowie Kreilach (im Zurückfallen neben die Innenverteidiger in der Spieleröffnung) Elemente des Spiels von Fürstner Übernahmen und sich in Unions offensiven Problemen ähnliche Muster zeigten wie in den bisherigen Spielen der Rückrunde.
Was, von wenigen Momenten abgesehen, fehlte, waren die Aktionen, die Unions Angriffsspiel gefährlich machen: Dynamische Bewegungen der Außenstürmer ins Zentrum. Mit diesen Läufen geben sie einerseits Polter Optionen, wenn er den Ball mit dem Rücken zum Tor festgemacht hat. Andererseits wird so Unions Angriffsspiel weniger flügellastig und entstehen entweder Abschlüsse durch Hedlund oder Skrzybski selbst oder Gelegenheiten, Polter einzusetzen.
Die Momente, in denen es doch zu solchen Aktionen kam, waren auch die, in denen Union offensiv etwas zu Stande brachte, vor allem bei Hedlunds fast-Großchance oder auch der knappen Abseitssituation, in der Polters Ablage wohl auch ohne Pfiff nicht angekommen wäre.
Mir ist nicht vollständig klar, warum es nicht mehr dieser Aktionen gab, auch wenn die defensiven Ansprüche vor allem an Skrzybski eine Rolle spielen dürften.
Score effects
Nachdem eine Mannschaft in Rückstand gerät, produziert sie tendentiell mehr Abschlüsse als zuvor. Ein solcher Effekt blieb bei Union in diesem Spiel gänzlich aus.
Insgesamt spielte Union nach dem 1-0 (bei dem nach einer etwas glücklichen zweifachen Umschaltaktion alle drei Unionverteidiger im Strafraum die Orientierung verloren) ähnlich weiter wie zuvor. Hannover hingegen konnte das Risiko im eigenen Spiel noch weiter minimieren, es gab also für Union noch weniger offensive Ansatzpunkte, die es nicht von Grund auf selbst konstruieren musste.
Bis zum 2-0 bedurfte es zwar einer aus Union Perspektive optimistischen Sichtweise auf das Offensivspiel, um den Ausgleich für wahrscheinlich zu halten, war es aber auch nicht ganz abwegig, die Strategie bei 0-0 beizubehalten. Das eher zufällige 2-0 zwang zu mehr Öffnung, für die Keller mit der Umstellung auf 442 und dem Routinewechsel Redondo-Hedlund sorgte.
Das damit gegen ein Hannover, das es sich leisten konnte, schlich kompakt und tief zu stehen, nicht besonders viel mehr Anbindung der Offensive hergestellt wurde ist wenig überraschend - nicht einmal Eroll Zejnullahus Einwechslung konnte daran viel ändern.
Szene des Spiels
Ein Pass von Felix Kroos (16:10 AFTV 2. Halbzeit), mit dem er von knapp innerhalb der gegnerischen Hälfte Hedlund im Strafraum findet, und die vorangehende Ballbesitzphase. Eine der wenigen Situationen, in denen Union den Ball über einige Stationen zirkulieren ließ, Bewegung im letzten Drittel hatte und dort Anspielstationen fand, einen Angriff mit schlechten Erfolgschancen abbrach und dann Hedlund einen der angesprochenen diagonalen Sprints ansetzte.
Ehrenhafte Erwähnung für Ballgewinne von Toni Leistner im Angriffsdrittel und überhaupt, Toni Leistner.