Trostloses Unentschieden
Wenn ein Spiel zwischen professionellen Fußballern Beobachtern unglaublich schlecht vorkommt und sie meinen, niemand könne mehr einen Pass spielen, könnte das daran liegen, dass alle das Fußballspielen verlernt haben.
Oder daran, dass die Herangehensweise beider Mannschaften eine zerfahrene Konstellation erzeugt, in der niemand gut aussieht.
An diesem Sonntag war eher letzteres der Fall. Union und Aue neutralisieren sich über weite Strecken - beide Mannschaften haben aber auch durchaus Glück, nicht für einen Fehler ihrer Fehler mit einer Niederlage bestraft zu werden.
Aue begann das Spiel mit dem Plan, Union hoch zu pressen, gab diesen Versuch aber nach wenigen Minuten auf. Hannes Drews sah, dass seine Mannschaft im Pressing keinen Zugriff bekam und Union sich stattdessen stabil und über andere Räume als erwartet im Aufbau freispielte. (Christian Tiffert: "Um sowas zu sehen, hat man einen Trainer.") Auf den ersten Blick könnte Unions Formationswechsel erklären, warum Aue andere Gegebenheiten als erwartet und vorbereitet vorfand. Das ist aber nicht ganz richtig, denn im Spielaufbau bildete Union immer noch Dreierketten, indem entweder Stephan Fürstner zwischen die Innenverteidiger zurückfiel oder einer der Außenverteidiger etwas tiefer blieb und nur einer ins Mittelfeld aufrückte.
Wichtiger dafür, wie Union Aues Pressing umging, war, dass verschiedene Unioner ausnutzten, dass Aue personenorientiert Druck ausüben wollte. Mit Freilauf-Bewegungen im richtigen Moment konnten sich Union Spieler so selbst anbieten und (weil sie von ihren Gegnern verfolgt wurden) Räume hinter sich öffnen. Vor allem Kroos machte das einige Male gut, in dem er aus dem Zentrum nach hinten lief, den Ball bekam, schnell weiterspielte und hinter ihm etwa Prömel anspielbar wurde. (Ein gutes Beispiel für diese Lösung ist die Doppelchance nach acht Minuten.)
Wenn es Union nicht gelang, Aues Deckungsschema mit Dynamik zu brechen, gab es (vor allem wenn Union versuchte, anzugreifen) überall auf dem Feld eins-gegen-eins Duelle, von Aues beiden Stürmer gegen Unions Innenverteidiger, über Nazarov und Fürstner in ihren Zwischenpositionen bis zu Aues Dreierkette, die sich (mit Unterstützung der Flügelverteidiger) um Unions Offensivreihe kümmerte.
Hier liegt auch der Grund für die Zerfahrenheit des Spiels. Wie vielen Bundesligamannschaften gelang es Union nicht, die Defensivzuordnungen Aues konstant auseinander zu spielen. Das ist natürlich kein Schicksal, sondern lag daran, dass André Hofschneiders Mannschaft die dazu notwendigen Mittel nicht oft oder konsequent genug einsetzte. Die Außenverteidiger rückten offensiv nicht so radikal mit auf, wie man das von ihnen schon gesehen hat, und konnten deshalb nicht helfen, Überzahlsituationen auf den Flügeln zu schaffen. Wenn sie das aber nicht taten, konnten Aues Flügel mit verteidigen und es Skrzybski und Gogia schwer machen, sich auf den Flügeln durchzusetzen. Und auch das Bewegungsspiel wie oben von Kroos und unten von Fürstner beschrieben wurde zu selten umgesetzt, insbesondere von Prömel und Kroos wenn Stephan Fürstner im Mittelfeld in Ballbesitz war.
Wenn wirkliche Lösungen und etwa freie Anspielstationen fehlen, sieht das resultierende Spiel ideenlos, statisch oder ungenau aus. Dabei hatten beide Mannschaften in der Tat ganz ordentliche Passquoten (je 82%) und erspielte sich Union mehr klare Chancen als in einigen Spielen in dieser Saison, während Aue zu halbwegs gefährlichen Angriffen kam.
Diese Angriffe wurden nicht selten von Calogero Rizzuto eingeleitet, der entweder, weil er schneller umschaltete als Pedersen, oder weil der Däne nicht mit aufgerückt war, einige Male viel Platz vor Unions Viererkette hatte. Diese Räume öffnete aber auch Unions Pressing, das unzusammenhängend und verspätet war. Kroos und Prömel sollten offenbar aus dem Mittelfeld nach vorn rücken und dabei helfen, Druck auf Aues Aufbau auszuüben. Die Wege, die sie dazu zurück legen müssen waren aber zu weit und die Auslöser zu spät, um damit erfolgreich zu sein. So ließ man damit lediglich Löcher in der Zentrale aufreißen.
Szene des Spiels
Eine Ausnahme zum oben beschriebenen Missstand in Unions Umgang mit Aues Defensive war die Chance für Hosiner nach 5 Minuten. Union tat hier mal genau das, was es braucht, um sich dagegen durchzusetzen. Zunächst Pedersen im Spielaufbau nicht nach vorn auf und war so weiter hinten, als Rizzuto ihn hätte aufnehmen wollen. Der Linksverteidiger war also frei, was Stürmer Ridge Munsy zwang, ihn anzulaufen, nachdem er von Torrejón den Ball erhielt. Gleichzeitig bot sich Fürstner an, und stellte so dynamisch Überzahl in der ersten Linie von Unions Spiel her (was Hannes Drews in der Pressekonferenz mit 'overload auf einer Seite' meinte). Die Routiniers Torrejón und Fürstner spielten einen Doppelpass, mit dem der Routinier aufrücken konnte. Auch Akaki Gogia bewegte sich im richtigen Moment in den Raum, in dem er am meisten Freiheiten hatte und die Auer Zuordnung am unklarsten war: dem Dreieck zwischen linkem Innenverteidiger, Sechser und Flügelverteidiger im rechten offensiven Halbraum Unions. Der direkte Pass auf Hosiner, den Gogia vielfach versuchte, kommt einmal an und Hosiner zum Schuss.
Aues Tiffert hatte also nicht ganz recht, als er sagte, Union sei "eigentlich nur zu Chancen gekommen, wenn wir ihnen den Ball direkt vor die Füße gespielt haben, wie in den fünf Minuten vor der Halbzeit."