Verkehrte Welt

Mit einer denkbar knappen 4-1 Niederlage scheidet der 1. FC Union in Leverkusen in der zweiten Pokalrunde aus - nach einer noch ausgeglicheneren Partie als vor einem Jahr in Dortmund in der die Mannschaften scheinbar fast die Rollen tauschen, aber wieder irgendwie mit drei Toren weniger als der Bundesligist.

Parensen

Michael Parensen hatte einige spektakuläre und produktive Ballgewinne; Photo: Dean Mouhtaropoulos, Bongarts, Getty Images.

Während Union von Beginn an sichtlich bemüht war, schnell und aggressiv Druck auf ballführende Leverkusener auszuüben, zog sich Jens Kellers Mannschaft nach den ersten Minuten im Spiel gegen den Ball etwas weiter zurück als üblich. Im nun gespielten Mittelfeldpressing zeigte sich die umformierte Mannschaft allerdings in einigen Situationen auch in einer veränderten Pressingformation, in der Philipp Hosiner regelmäßig als vereinzelte Pressingspitze (geschickt und effektiv) agierte. Statt neben ihm in vorderster Linie die Innenverteidigung anzulaufen, blieb Damir Kreilach im Mittelfeld und bemühte sich gemeinsam mit Dennis Daube, Anspielstationen im zentralen Mittelfeld zuzustellen, während hinter den beiden Stephan Fürstner den Zehnerraum abzusichern versuchte.

Dass Leverkusens Abwehr so etwas mehr Zeit am Ball hatte als Unions Gegner in den meisten Spielen nutzten sie vor allem gern für Bälle hinter Unions Abwehrlinie. Dazu schoben die Leverkusener Flügelspieler in die vorderste Linie um auf mehr Positionen in eins-gegen-eins Duelle geschickt werden zu können. Daraus entstanden mitunter recht extreme Staffelungen Leverkusens mit sehr wenig Präsenz im Mittelfeld, die Mehmedi oder Brandt manchmal auflösten, indem sie sich fallen ließen und für Anspiele in den tieferen Halbräumen anboten.

BSG Chemie West - Union

DFB-Pokal, 2.Runde, 24. Oktober: Leverkusen 4 - 1 Union. Die Aufstellungen zu Beginn.

Vielleicht etwas überraschender Weise wagte aber auch Leverkusen, das noch vor relativ kurzer Zeit für sein hyper-aggressives, kollektives und kompaktes Pressing weltbekannt war, kein stringentes Angriffspressing. Seit Roger Schmidts Abgang ist allerdings genug Zeit vergangen, Leverkusen nun recht konventionell aussehen zu lassen. Dazu gehörte, dass die Außenverteidiger sich (anders als bei Union) oft höchstens mit Verzögerung am Pressing beteiligten. Somit standen Union seinerzeit die eigenen Außenverteidiger zur Verfügung um sich an den Leverkusener offensiven Außen und Spitzen vorbeizukombinieren, wenn die Unions Innenverteidiger und Sechser anliefen.

Gerade Fürstner machte dabei ein sehr gutes Spiel und fand mit seinen Pässen immer wieder Räume, sowohl um das Spiel nach vorn in gefährliche Szenen zu verlagern als auch um sich im Aufbauspiel von Druck zu befreien. Die Balance zwischen diesen Aspekten fand Fürstner auch dabei, sich neben und zwischen die Innenverteidiger fallen zu lassen. Das kam immer wieder vor, war aber nicht so schematisch, unflexibel und limitierend wie in schwächeren Spielen. Im Gegenteil erfüllte es die Funktion, eine sichere Anspielstation zu geben und gleichzeitig Optionen in der Mitte zu öffnen, indem Gegenspieler heraus gezogen werden, in diesem Fall vor allem die pressenden Stürmer aus dem Zentrum.

So gab es ausgerechnet in diesem Spiel einige der geduldigsten, längsten und sichersten Phasen von Ballzirkulation in Unions Spielaufbau. Dabei probierten die Innenverteidiger zwar auch, direkt in die offensiven Mittelfeldpositionen zu spielen. Doch wenn diese Pässe auf Kreilach oder Daube ankamen, sich ihnen aber keine weitere Perspektive bot, zeigten sie sich umsichtig genug, Angriffsversuche abzubrechen und Ballbesitzphasen zu verlängern. Das war angesichts von Unions individueller Unterlegenheit gerade in der Defensive schon deshalb strategisch sinnvoll, weil Leverkusen mit ziemlicher Regelmäßigkeit gefährlich wurde, wenn es in Unions Verteidigungsdrittel an den Ball kam. Die Zahl dieser Situationen auch mit eigenem Ballbesitz kleiner zu halten war deshalb auch und gerade defensiv wertvoll.

Offensiv war vor allem die Kombination aus Trimmel und Skrzybski effektiv. Wie Gogia am Wochenende gegen Fürth besetzte Skrzybski den rechten Halbraum gut und wurde dort von Trimmel mehrfach gefunden, während das Potential dazu in anderen Szenen Trimmel die Möglichkeit zu Durchbrüchen wie (etwas anders) vor dem Tor verschaffte. Auf diese Weise kam etwa auch der Freistoß zu Stande, den Kreilach an die Latte schoß.

Luft

Die Überraschung und die Rauchschwaden lagen zur selben Zeit in der Luft; Photo: Dean Mouhtaropoulos, Bongarts, Getty Images.

Als sich Leverkusen in den letzten zwanzig Minuten endgültig weiter zurückzog um das 2-1 passiv zu verteidigen hatte Union weniger Raum für derartige Kombinationen und kam zu weniger klaren Aktionen bis ein leider falscher Elfmeter das Spiel einige Minuten vor der Zeit beendete.

Szene des Spiels

Einer der vielversprechendsten Union-Angriffe in der ersten Halbzeit fasste viel von dem zusammen, was das Spiel prägte (ab 16:30). Beginnend mit Alarios Versuch, sich im eins-gegen-eins mit Parensen durchzusetzen ist zunächst Leverkusen am Ball, bis Fürstner den selben mit einem sehr guten Tackling erobert. Über Daube, Torrejón und Skrzybski schaltet Union schnell um, doch Hedlund bricht die Vorwärtsbewegung ab, statt in ein riskantes Dribbling zu gehen (wie er es knapp zehn Minuten zuvor noch getan hatte).

Der Ball kommt zurück zu Fürstner, der unter Druck sehr gut einen Pass auf Hosiner sieht und spielt. Der Österreichische Stürmer bekommt - wie oft an diesem Abend - den Ball mit dem Rücken zum Tor und kann ihn zwar gut auf rechts weiter verteilen, seine größten Stärken aber nicht einbringen, die in temporeichen Mitnahmen zum Tor zu Tage treten.

In dieser Situation spielen Skrzybski und Trimmel den Angriff auf dem rechten Flügel aus, wobei Kapitän Skrzybski bei der ersten Gelegenheit, auf Trimmel durchzustecken, noch eine Flanke schlägt, aber noch eine zweite Chance bekommt. Schließlich gelingt Trimmel die Hereingabe nicht ganz - so wie Union die nicht-ganz-so-überraschende Überraschung.

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