Verrückt gespielt
Heidenheim gewinnt ein taktisch unspektakuläres aber verrücktes Spiel, in dem sich für eine Viertelstunde die Schleusen vor beiden Toren öffnen, mit 4-3.
Davon, dass innerhalb von 14 Minuten sechs Tore fielen, abgesehen entwickelte sich das Spiel jedoch durchaus so, wie man hatte erwarten können als ein Duell, in dem die entscheidende Frage war, ob Unions Gegenpressing oft genug funktionieren würde, eigene Chancen herauszuarbeiten und als Konterabsicherung zu taugen; oder ob es Heidenheim gelingen würde, dieses Pressing mit Schnellangriffen und Verlagerungen zu überspielen.
Grundausrichtung
In der ersten Spielhälfte deutete sich zunächst an, dass dieses Pendel zu Gunsten der Berliner ausschlagen würde. Gerade auf der eigenen linken Seite gab es einige Ballgewinne, nach denen Union schnell und produktiv umschaltete - oder das gar nicht musste, weil Heidenheim wie vor Polters großer Chance nach 8 Minuten Pässe in die eigenen Schnittstellen spielte.
In diesen Situationen schaltete sich Kristian Pedersen oft sehr weit vorn in Angriffe ein und besetzte den Linken Flügel bis ins letzte Drittel, sodass vor, respektive neben, ihm Gogia etwas in die Mitte rücken konnte, was wiederum Räume für Pedersens Vorstöße öffnete, wenn der Außenverteidiger Gogia verfolgte.
Das ist zunächst die gewohnte Spielweise von Pedersen und Union Außenverteidigern überhaupt, war in diesem Spiel aber bemerkenswert. Denn auf der anderen Abwehrseite spielte in Abwesenheit des gesperrten Trimmel mit Peter Kurzweg ein eigentlicher Linksverteidiger. Obwohl der sich durchaus ebenfalls nach vorn wagte (und dabei auch gute Szenen hatte, vor allem vor Skrzybskis Chance in der 57. Minute und sogar auffällig oft für einzelne Spielpassagen mit Positionen mit Skrzybski tauschte), lag Unions offensiver Akzent eher links. Das bedeutete allerdings auch mehr Platz für das Fulkrum des Heidenheimer Spiels vor allem nach vorn, Marc Schnatterer, der neben Distanzschüssen gelegentlich auch öffnende Pässe beiträgt, wie etwa vor Heidenheims bester Gelegenheit im ersten Durchgang in der 19. Minute, als Torrejón im letzten Moment klärte.
Diese Szene markierte auch den Punkt, an dem das erwähnte Pendel deutlich auf Heidenheims Seite schwang. Union gelang offensiv nun wenig, auch, weil das offensive Konzept der Gastgeber damit auskam, wenig defensive Risiken einzugehen. Mit der tiefen Positionierung von Heidenheims Außenverteidigern im Aufbau wurden auch die Wege für Unions Außen im Pressing länger, wenn es überhaupt etwas zu pressen gab, und Heidenheim das Pressing nicht mit rudimentären Mitteln überbrückte.
Lange Wege hatte auch Felix Kroos zu gehen, der im Pressing immer wieder als zweite Spitze neben Polter zu sehen war, mit dem Ball aber zusammen mit Prömel die tiefere Position im Mittelfeld besetzte und sich oft auch neben die Abwehr fallen ließ. Gerade diese Bewegungen trugen wenig zu gefährlichen Angriffen bei, da sie an Unions Problem im Aufbau wenig änderten. Denn das bestand darin, dass Unions Mittelfeld trotz numerischer Überlegenheit gegen Heidenheims zwei Sechser selten anspielbar war. Zu oft standen Prömel und Kroos im Deckungssschatten der Heidenheimer Spitzen. Abhilfe hätte schaffen können, dass sich Spieler aus der offensiven Mittelfeldreihe etwas tiefer angeboten hätten (wie Hartel es gern tut), oder sie in ihren höheren Positionen direkt angespielt worden wären. Doch beides geschah zu selten.
Zweite Halbzeit, oder WTF?!?
In der Halbzeit wechselte Jens Keller für Prömel Fürstner ein, der nun die tiefere Sechserposition bekleidete und eine etwas bessere Balance darin fand, sich für sichere Anspiele aus der Innenverteidigung anzubieten, sich dabei aber nicht zu tief fallen zu lassen.
Zu dem, was zwischen der 60. und 75. Minute passierte, lässt sich analysierend schon deshalb schwer etwas sagen, weil ständig weitere Tore fielen, während man noch damit beschäftigt war, das vorherige zu verarbeiten. Die Schrankenlosigkeit dieser Phase führte dazu dass es zusehends kein Mittelfeld mehr gab. Das war umso mehr in der Schlussphase nach den Toren der Fall, als Union sich nicht mehr dazu entschließen konnte, Lücken in einer zurückgezogenen Heidenheimer Mannschaft zu suchen, und stattdessen mit Flanken den Ausgleich erzwingen wollte.
Szene des Spiels
Die erwähnte Chance für Heidenheim, die in Torrejóns Rettung endete, und ihre Entstehung. Heidenheim läuft die Union Innenverteidigung nur vorsichtig an, diese findet einmal einen Weg ins Mittelfeld, von wo Gogia wieder auf Kroos in der Aufbaudreierkette ablegt. Dessen Pass fängt Schnatterer ab, der sofort mit einem guten Lob nach vorn umschaltet, und seiner Mannschaft Gelegenheit gibt, sich mit einem guten Pass von Strauß in den Strafraum zu spielen, wo schließlich der im Konter ebenfalls aufgerückte Feick den Ball bekommt und vor das Tor spielt.