Stärker fokussierte Schwächen

Union-SSV

Die Aufstellungen zu Beginn: Urs Fischer tauscht mal wieder seine Flügel

Union spielt nach früher Führung und Rückstand 2-2 gegen Regensburg. Dabei wird vor allem deutlich, dass Urs Fischers Mannschaft inzwischen ein defensives Problem hat, weil die Stärken der Viererkette nicht mehr zum Tragen kommen, ihre Schwächen aber immer deutlicher attackiert werden.

Obwohl Union von Beginn an sehr motiviert und ambitioniert spielte, war das Element, dass das Spiel vielleicht am stärksten geprägt hat, Regensburgs großer Erfolg mit seiner Konter-Offensive. Dazu, dass der Sport- und Schwimmverein am Ende damit auf ganze 2,5 expected goals kam, trugen drei Aspekte bei.

Anlaufen, ...

Der erste, den auch Regensburgs Trainer Achim Beierlorzer nach der Partie zuvorderst erwähnte, war Regensburgs Verhalten gegen den Ball während Unions Aufbauspiel.

Über verschiedene Formationen einer Mannschaft in Ballbesitz und Verteidigung zu reden, macht in Regensburgs Fall wenig Sinn, weil sie mit ihrem Fokus auf Pressing, Umschalten und Kontern eigentlich nie wirklich aus der Defensivformation heraus kommen. Diese Formation ist dann immer ein leicht asymmetrisches 442, in dem George links ein wenig mehr neben die zentralen Angreifer rückt als Saller rechts.

Die beiden Spitzen orientierten sich so während Unions Spielaufbau an den Innenverteidigern und stellten deren Passwege auf manchmal zurückfallende Mittelfeldspieler zu. Friedrich und Hübner sahen sich außerdem immer wieder Mal Druck von zwei Gegenspielern ausgesetzt, wenn die Spitzen Regensburgs von den Außen unterstützt wurden.

Hübner Union Regensburg

Florian Hübner stand vor vielen schwierigen Situationen, Photo: Felix/Union in Englisch

Dazu kam, das von Beierlorzer ebenfalls herausgehobene "Vordecken auf der Sechserposition", also die Devise, dort nah an Unions offensiven Mittelfeldspielern zu sein und nicht zuzulassen, dass sie angespielt werden, ohne unmittelbar unter Gegnerdruck zu kommen.

Ganz grundsätzlich äußerte sich dieser Druck der Regensburger mit dem historisch problematischen Vereinsnamen in der Weise, in der Rafal Gikiewicz keine Zeit gelassen wurde, in Ruhe lange Abschläge vom Boden zu spielen.

Es war so kein Zufall, dass einer von Unions tauglichsten Angriffe aus dem Aufbau heraus kam, als Regensburg kurzzeitig nur zu zehnt war (nach 9:20 Minuten). Allerdings war, was Regensburg im Pressing gemacht hat, konzeptionell nicht sehr besonders. Aber sie haben ziemlich konsequent Druck ausgeübt. Nicht umsonst betonte Beierlorzer die psychologischen Effekte dieser Spielweise: "Es ist ja auch hässlich, wenn man permanent angelaufen wird, wenn man permanent den Ball eigentlich grade hat, und schon ist wieder einer da..."

... Verlagern, ...

Unions Gegenpressing ist in dieser Saison relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dabei ist es durchaus eine der zentralen Stärken von Urs Fischers Mannschaft. Es zu umgehen war so für Regensburg extrem wichtig, denn ohne Befreiung aus dem Gegenpressing kann es keine Konter geben. Dazu zählt auch der Kampf um die zweiten Bälle, in dem Sebastian Polter nach dem Spiel Defizite bei Union ausgemacht hat (damit aber scheinbar auch/vor allem die Situationen in Unions Defensive nach langen Bällen von Regensburg meinte).

Regensburg versuchte nun natürlich, möglichst oft und vor allem schnell, wenn es im eigenen Drittel an den Ball kam, aus diesem Gegenpressing herauszuspielen. Dazu wählten sie den Weg, schnell Bälle nach vorn zu spielen, und vor allem, dass diagonal zu tun, um möglichst weit von der sich zusammenziehenden Union-Mannschaft weg ungestörte Räume zu finden. Genau in diesen Räume ist Union dann eben selbst für Konter anfällig.

... und Dribbeln.

Zu diesen Situationen, in denen Regensburg nicht nur in Gleich- oder Überzahl, sondern auch mit dem für Ausrichtung und Orientierung wichtigen Überraschungsmoment im Umschalten auf Unions Abwehr zu lief, sorgten aber nicht nur die befreienden Bälle der Jahn-Abwehr, sondern auch immer wieder vermeidbare Fehlpässe Unions.

Abwehr Union Regensburg

So standen seine und Marvin Friedrichs Stärken schwächer und ihre Schwächen stärker im Fokus - ein Rezept, unvorteilhaft auszusehen. Photo: Felix/Union in Englisch

Vor allem wurden Unions Probleme aber verschärft durch den Umstand, dass Union - vielleicht in Mangel spielerischer Lösungen - sehr viel Personal in seine Offensive investierte. Vor allem die Außenverteidiger schoben nicht nur aus dem Spielaufbau, sondern auch, um nach den (insgesamt 53, also unfassbar vielen) Regensburger Klärungs-Versuchen den Ball zu erobern und dann den Flügelstürmern auch überlappende Läufe anzubieten. Trimmel und Reichel (die letztlich auch beide Tore vorbereiteten, pace Standardsituation) rückten dabei insbesondere zum Teil auch beide auf. Das bedeutet dann, dass Hübner und Friedrich zum Teil allein, 15-20 Meter hinter den nächsten Unionern die eigene Hälfte verteidigen mussten. Und das oft gegen drei Regensburger (oft: Adamyan, Al Ghaddioui und George).

Wenn Friedrich und Hübner dann schlecht aussehen, kann ihnen nicht einmal sinnvoll vorgeworfen werden, eher robust-athletisch als schnell zu sein, denn solche Situationen sind nicht zu verteidigen. Beispielhaft hier ist der Angriff im Anschluss an Unions erste bessere Chance nach fünf Minuten, den Schmiedebach zwar verlangsamen konnte, in dem Union aber trotzdem nur Zeit hatte, zurückzulaufen, nicht aber, in eine Verteidigungshaltung zu kommen.

Verschärft wurden Unions Probleme dadurch, dass die genannten Regensburger diese Situationen auch individuell gut nutzten und schnell in viele unangenehm zu verteidigende Dribblings kamen.

Unions Offensive

Union hatte in der ersten Hälfte nach dem 1-0 kaum mehr klare Torgelegenheiten. Dagegen war die halbe Stunde am Ende des Spiels nach dem Rückstand eine der offensiv produktivsten Phasen der Saison.

Beim Versuch, diese Phase zu erklären, griff Achim Beierlorzer anders als bei der Analyse seiner eigenen Mannschaft zu kurz. Denn der Regensburger Trainer sprach hier vor allem über die Großzügigkeit von Schiedsrichter Harm Osmers in der Zweikampfbewertung, die Union zu Gute gekommen sei, als es "nur noch Langholz nach vorne geschlagen" habe. Die Unioner hätten ihre Physis dann mit klaren Fouls eingesetzt, worunter sowohl Weis Strafraumbeherrschung als auch Regensburgs Risikobereitschaft gelitten habe.

Zulj Union Regensburg

Mit Robert Žuljs Hereinnahme verbesserte sich Unions Offensivspiel, weil er an vielen Stellen im offensiven Mittelfeld gute Lösungen fand. Photo: Felix/Union in Englisch

Das ist nicht falsch, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Denn Union hatte nach den - allerdings auch von Beierlorzer gelobten - Einwechslungen von Mees für Hartel und Žulj für Schmiedebach (dessen Position dann Kroos einnahm) auch gute spielerische Momente. Heraus stachen da vor allem die Chancen von Andersson in der 67. Minute, nachdem Mees, Žulj und Reichel ein Dreieck schön ausgespielt haben und Abdullahis Gelegenheit wenig später nach einem sehr guten Chip-Pass von Žulj.

Was Union in dieser Phase so druckvoll machte, war neben diesen guten Gruppen-Momenten aber vor allem die extrem große und risikoreiche Präsenz im Angriffsdrittel, wo vor allem die Flügel überladen wurden und deshalb von dort Aktionen initiiert werden konnten. (In einem Fall gelang das aber auch, weil Andersson sich allein gegen vier Regensburger durchsetzte und Žulj und Mees mit einem schönen Doppelpass Trimmel freispielten.)

Szene des Spiels

Tor Union Regensburg

Der Abschluss von Andersson war nicht das beste an Unions 1-0. Photo: Felix/Union in Englisch

Das 1-0, und insbesondere der Pass von Kroos, der es eingeleitet hat. Dabei gab es eigentlich zwei Momente, in denen Kroos dieses Tor auf den Weg gebracht hat, denn zuerst war es seine Grätsche vor Weis, mit der Union an den Ball kam. Doch eine Schleife durch den eigenen Spielaufbau später war es eben vor allem dieser Diagonalball, der den Angriff geöffnet hat. Kroos hatte in diesem Moment zwar durchaus viel Zeit um ein Spielfeld vor sich zu scannen, dass durch Regensburgs viel zu tief stehendes Mittelfeld auch ziemlich offen da lag. Der Ball selbst ging aber genau an die richtige Stelle, und war flach und scharf genug gespielt, den Raum, den er öffnete, nicht selbst wieder zu verschenken.

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